Pflanzliche Entwicklungsbiologie
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Enterhaken und Stacheldraht aus Treibhausgas

Mikrobielles Leben in der Tiefe

30.11.2014

Das mikrobielle Leben im Untergrund liefert einen wichtigen Beitrag zu biogeochemischen Vorgängen verschiedenster Ökosysteme. Mikrobielle Gemeinschaften in der Tiefe sind im Allgemeinen schwer zugänglich, so dass diese „dunkle Materie“ weitestgehend unentdeckt bleibt.

Ein Fenster in den Untergrund stellen tiefe Süßwasserquellen dar, die Mikroorganismen aus der Tiefe mit nach oben transportieren. Neben Bakterien finden sich darin in manchen Quellen auch sogenannte Archaeen. Diese Mikroorganismen bilden eine eigene Domäne des Lebens und unterscheiden sich in ihren Eigenschaften, z.B. molekularer Aufbau und Zellstruktur, deutlich von bakteriellen Mikroben.

Die Wissenschaftler Christine Moissl-Eichinger, Universität Graz, Alexander Probst, UC Berkeley, Sandra Meck, Anna Auerbach sowie die Mitautoren Andreas Klingl und Gerhard Wanner, Biozentrum der LMU München und Jillian Banfield, UC Berkeley, haben in der aktuellen Veröffentlichung die Biologie eines bislang unkultivierten Archaeons aus Tiefenwasser genauer studiert.

Andreas Klingl war bis 2014 Leiter der Core Facility „Elektronenmikroskopie“ im LOEWE-Zentrum SYNMIKRO und hat den größten Teil der Ergebnisse in Marburg generiert und ausgewertet.


Dieser Mikroorganismus („Candidatus Altiarchaeum hamiconexum“) wird in Form von Biofilmen an die Oberfläche von kalten Schwefelquellen in der Gegend um Regensburg (Sippenauer Moor und Mühlbacher Schwefelquelle) und USA angespült. In enger Kollaboration des Teams um Christine Moissl-Eichinger von der Universität Regensburg mit exzellenten Forschergruppen u.a. aus Berkeley, Paris, Bremen, Freiburg, München und Wien wurden modernste molekulare Analysemethoden (Metagenomik, Transkriptomik, isotopen-basierte Lipidomik) mit ultrastrukturellen Untersuchungen verbunden und somit faszinierende Einblicke in das neuartige Archaeon erhalten. Der Mikroorganismus besitzt einen besonderen Stoffwechsel, eine für Archaeen ungewöhnliche Doppelmembran, und etwa 100 einzigartige Zelloberflächenanhängsel, die er zur Anheftung an Oberflächen und anderen Zellen verwendet. Diese fädigen Strukturen zeigen eine ungewöhnliche Struktur: das Stacheldraht-artige Filament trägt einen winzigen Enterhaken am Ende (Durchmesser ca. 60 nm).


Nano-Enterhaken und Stacheldraht: Anheftungswerkzeug der aus der Tiefe stammenden Archaeen. Elektronenmikroskopische Aufnahme. Durchmesser Enterhaken: 60 nm (Copyright: Christine Moissl-Eichinger)

Als weiteres Highlight neben der Ultrastruktur wurde auch das Genom dieses Mikroorganismus erfasst und analysiert. Die dafür notwendigen aufwändigen Computeranalysen wurden in enger Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe um Thomas Rattei vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien durchgeführt. Besonders interessante Stoffwechseleigenschaften wurden durch die Arbeitsgruppe um Michael Wagner, ebenfalls vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien, mit Hilfe des Nano-Sekundärionen-Massenspektrometers (NANOsims) untersucht. Es konnte nachgewiesen werden, dass das Archaeon seinen Zellkohlenstoff ausschließlich aus Kohlendioxid bezieht. Somit ist der Organismus vermutlich ein wichtiger Verbraucher dieses Treibhausgases in der Tiefe und trägt so zur CO2 Bilanz des Ökosystems Erde bei.

Durch eine Kombination aus verschiedenen ungewöhnlichen Eigenschaften verschafft sich Cand. Altiarchaeum hamiconexum also einen außerordentlichen Standortvorteil und kann somit seine Biotope auf eine bislang unbeschriebene Art und Weise dominieren.

Publikation in Nature Communications:
Probst et al.: Biology of a widespread uncultivated archaeon that contributes to carbon fixation in the subsurface. Nature Communications 5. doi:10.1038/ncomms6497. November 26, 2014. Nature Communications

Pressemitteilung der Universität Wien > Pressemitteilung

Verantwortlich für den Inhalt: AG Klingl


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